310px-Josef Untersberger - Hl. FamilieWarum ist es heute noch interessant, sich über die Heilige Familie Gedanken zu machen? Das war die Frage, die ich mir gestellt habe. Der Grund ist ein sehr einfacher. Die Heilige Familie, Maria, Josef und ihr Kind Jesus, sind das Urbild der Familie überhaupt. Es ist das häufigste Motiv der Kunstgeschichte. Schaut man genauer hin, dann ist diese Heilige Familie keine „wirkliche“ oder „echte“ Familie. Josef ist nicht der leibliche Vater, allenfalls so etwas wie ein Ziehvater. Jesus nicht von ihm gezeugt, folgt man der Erzählung der Bibel. Dass Maria ihr Kind als Jungfrau auf die Welt bringt ist religiöses Mysterium, über das die Theologen sich immer wieder den Kopf zerbrechen. Albrecht Koschorke ist Literaturwissenschaftler in Konstanz. Ich habe ihn interviewt und gefragt, was ihn an diesem Thema interessiert habe. Ein spirituelles oder religiöses Interesse hatte er sicher nicht. Ihn interessierte die Folgen die dieses ideale Bild einer Familie, die keine (biologische) ist. Sie ist eine symbolische Familie. Ein Symbol für was, für welche Realität?

Z.B. macht Albrecht Koschorke darauf aufmerksam, dass Jesus zwei Väter hat, Josef, der Ziehvater und seinen Vater im Himmel, auf den er sich in der Bibel immer wieder bezieht. Was bedeutet das? In dieser Doppelbesetzung der Figur Josephs, in dieser Schwankungsbreite zwischen dem Profanen und dem Heiligen, zwischen menschlicher Nähe und göttlicher Ferne liegt, sagt Albrecht Koschorke, das Geheimnis und die symbolische Macht des Patriarchats. Wie stark oder schwach der irdische Vater auch sein mag, seine eigentliche Stärke, Macht und Autorität bezieht er nicht aus seiner eigenen individuellen Persönlichkeit, sondern vom göttlichen Vater im Himmel. Nach diesem Verständnis ist seine Autorität und Macht nur geliehen. Dieses göttliche Vaterbild und Vaterverständnis wird im Laufe der Geschichte symbolisch übertragen auf die Institution der römischen Kirche und später auch auf den Staat. Kirche und Staat verstehen sich fortan als Statthalter des Vaters im Himmel und nehmen teil an seiner unendlichen Machtfülle. Dieser Bezug auf das Göttliche gräbt sich tief in das kollektive Bewusstsein der Menschen ein. Eine Rebellion gegen die Kirche oder Vater-Staat wird verstanden als Rebellion gegen Gottvater Gott. Ein Verständnis, dass das Patriarchat, die Herrschaft des Vaters, für Jahrhunderte unantastbar macht. Wir verstehen jetzt, warum die römische Kirche so entschieden am Vaterprinzip festhält und die Mutter und Frau nur eine nachgeordnete Rolle spielt.

Das Manuskript der ganzen Sendung mit dem Titel „Was ist eine Gute Familie“ hier als Pd F-Datei.

Die Sendung, ausgestrahlt am 29. Dezember 2013 hier als Podcast

Das Bild der Heiligen Familie wurde von Josef Untersberger gemalt

Quelle: Wikipedia.org