Meine nächste Radiosendung für den Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt wird sie am 29.12.2013

Die Heilige Familie und ihre späten Folgen?

Zum Streit über die Frage was eine gute Familie ist

Cover Buch "Die heilige Familie und ihre späten Folgen"

Leihmütter, Samenbänke, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften, der Begriff der Familie als die Grundform moderner Gesellschaften hat seine Eindeutigkeit verloren. Das Bundesverfassungsgericht stellt in einem Grundsatzurteil die gleichgeschlechtliche Partnerschaft mit der Ehe zwischen Mann und Frau fest. Die EKD provoziert mit einem Positionspapier zum Thema "Homo-Ehe". Ein Sturm der Entrüstung konservativ denkender Menschen bricht los, gleichermaßen in der evangelischen wie in der katholischen Kirche. Man sieht christliche Traditionen in Gefahr, die Ordnung der Familie als Keimzelle des Lebens stehe auf dem Spiel. Die heilige Familie ist das Urbild der christlichen Familie. Es hat unser Familienverständnis entscheidend geprägt. In diesen Weihnachtstagen wird uns das wieder bewusst. Weniger bewusst dagegen ist uns, dass die Heilige Familie keine "richtige" Familie ist. Maria empfängt ihren Sohn jungfräulich, Josef ist nicht der natürliche Vater. Jesus bricht bewusst mit der traditionalen Herkunftsfamilie. "Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht Wert." Die natürliche, biologische Familie wird von Jesus ersetzt durch eine spirituelle Gemeinschaft. Nicht das Blut bindet die Menschen aneinander, sondern der Glaube. Die spannende Frage ist, ob nicht im Urbild der Heiligen Familie schon das angelegt ist, was wir heute diskutieren: die Erweiterung des Familienverständnisse hin auf familiäre Lebensformen, die auf Vertrauen und Liebe gegründet sind. Überraschende Antworten auf diese Frage geben die katholische Theologin Prof. Marianne Heimbach-Steins von der Universität Münster und der Literaturwissenschaftler Prof. Albrecht Koschorke, Universität Konstanz.

Ein Bestandteil der Sendung wird ein Interview mit Albrecht Koschorke sein. Ich freue mich schon darauf Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 27.11.2000 Andreas Bernard scheint einige verblüffende Erkenntnisse aus der Lektüre dieses Buchs gezogen zu haben. So verweist er darauf, dass Jesus nach der Bibel im Grunde Kind einer Leihmutter gewesen ist, eine Situation, mit der auch Joseph "zurechtkommen" musste. Sichtlich beeindruckt zeigt sich der Rezensent von den Verknüpfungen, die Koschorke zwischen der Darstellung der Heiligen Familie als Kleinfamilie (dabei hatte Jesus in Wirklichkeit mehrere Halbgeschwister) und verwaltungstechnischen Veränderungen anstellt. So referiert Bernard, dass Jesus sich stets gegen Blutsbande gewandt hat und den Glaube als wirkliches Band zwischen den Menschen gepredigt hat, was letztlich familienfeindlich sei. Ähnlich sei es bei der Organisation der Gesellschaft hin zum Zentralstaat vor sich gegangen, welcher durch Inzestverbot und verändertes Erbrecht die großen Familienverbände zurückdrängte bis nur die leicht kontrollierbare Kleinfamilie übrig blieb, wie Koschorke anschaulich beschrieben habe. Besonders überzeugend findet Bernard die These des Autors, dass die Abspaltung des eigentlichen Vaters in der Heiligen Familie mit den Zuständen in einem Staat korrespondiert, wo ebenfalls eine "externe Instanz" den patriarchalischen Part übernimmt. Nicht zuletzt habe sich der Begriff von `Vater Staat` eingebürgert. Koschorkes Buch ermöglicht dem Leser nach Ansicht des Rezensenten, die "anhaltende symbolische Kraft einer unzeitgemäß erscheinenden Ikone" zu verstehen. In seiner mittlerweile als Klassiker geltenden Studie zeichnet Albrecht Koschorke all die Folgen nach, die von einem Grundwiderspruch in der Bibel ausgehen: Die Heilige Familie wird dort als innige Gemeinschaft beschrieben, doch kontrastiert dieses Ideal mit den familienfeindlichen Zügen des Christentums. Wie dieser Widerspruch nun wissenschaftlich u.a. bei Freud, Marcuse, Girard gedeutet wird und sich bis zur heutigen Rolle der Väter auswirkt, das schildert Koschorke so gelehrt wie anschaulich und scharfsinnig.