Der heimlicher Wunsch nach digitalen Inseln

Trauminsel

 

Urheber:Kuerschel/Quelle:Wikipedia/Lizenz:CC BY-SA 3.0

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Ich beginne einen Blog zu schreiben. Meine (erwachsenen) Kinder, meine jungen Freunde und Freundinnen, fordern mich heraus.  Mit ihrer Internetbegeisterung entwickeln sie ein anderes Verhältnis zur Realität, das sich möglicherweise von meinem unterscheidet. Im Zeitalter des Internets surfen sie durch das Meer von digitalen Informationen vernetzen sich weltweit sich mit Personen, die sie möglicherweise nie in ihrem Leben gesehen haben oder sehen werden. virtuelle Welt, die sich vermischen mit realen Welten. Was heißt es heute "eine Erfahrung machen?" Ich bin ehrlich, ich habe durchaus Furcht, dass ich sie und ihre Welt, die auch die meine ist, nicht mehr verstehe, und sie mich nicht mehr, wenn ich da nicht mitmache. Nach langem Zögern habe ich meine Hemmungen dem Netz gegenüber überwunden. Ich mache mit.

Als ich jung war habe ich Tagebücher geschrieben. Mein erstes Tagebuch hatte ein Schloss, damit niemand meine geheimsten Gedanken lesen konnte. Mein Tagebuch war meine Schatztruhe. Meine Erlebnisse und meine Gedanken, sie waren mein Ich, mein Selbstverständnis, etwas abstrakt, philosophisch ausgedrückt. Drei Jahrzehnte später habe ich sie vom Dachboden geholt und sie noch einmal gelesen, mit mäßigem Interesse. Warum war das Interesse an meinem „Ich“ von damals so gering? Das habe ich mich gefragt. Heute könnte ich eine Antwort geben: weil das, was ich aufgeschrieben hatte ohne ein Echo blieb. Schreibe ich heute eine E-Mail oder poste ich etwas in Facebook, dann habe ich in der Regel sofort eine Antwort, oft viele Antworten, oft auch ganz unerwartete, von Menschen, die ich über Jahre nicht gesehen, von denen ich nichts gehört habe, aus allen Teilen der Welt. Ich habe mich über jedes Echo gefreut, und wenn es nur aus einem Tweet bestand. Es war eine Antwort und ich hatte und habe das Gefühl, im Dialog zu sein, vor allem im Dialog mit jungen Menschen.

Das Netz hat eine ganz neue Art der Poesie hervorgebracht. Das griechische Wort "poiesis" heißt wörtlich übersetzt "Erschaffung" oder auch „Produktion“. Es sind vor allem die jungen "Poeten", die Produzenten von Text und Musik, die nur selten die Verlage und die Konzertbühnen erreichen. Sie sind es, die das Netz mit ihren Blogs postings, tweets, youtube-videos befeuern. Mich interessiert, was sie zu sagen haben.

Ich arbeite als Journalist für das deutsche Radio, für den Bayerischen Rundfunk in München. Meine Sendungen erreichen viele Menschen, oft mehr als hunderttausend. Doch nur wenige Hörer kommunizieren mit mir. Wenn zehn oder zwanzig Hörerinnen an die Hörfunk-Redaktion schreiben, lobend oder auch kritisch, sind das schon viele. Die Hörerschaft ist vergleichsweise alt. Das Radio wird von ihnen noch erlebt als große anonyme Institution, hinter der der Autor und Produzent von Radiosendungen nahezu völlig verschwindet. Mit ihm kommuniziert wird nur selten und gar nicht. Deshalb die Bemühungen der Radiosender den Anschluss an ein junges Hörerpublikum nicht zu verlieren und auch mit ihren Podcasts im Netz präsent zu sein. Ich habe daraus meine Konsequenzen gezogen und meine Produktionsweise erweitert.

Radio Carleton, OttawaSeit ein paar Monaten bin ich Mitarbeiter von Radio Carleton „Literary News“. Das ist ein Internet- Sender der Carleton University in Ottawa (Canada), ein Radiosender, der nur im Internet zu hören ist. Meine Sendungen können jetzt in der ganzen (universitären) Welt gehört werden. Und auch die Reaktionen, die Echos kommen aus der ganzen Welt, über Facebook, Twitter, E-Mails. Eine ganz neue Radiowelt hat sich da für mich aufgetan. Was für eine Revolution! Wenn ich an das beschränkte Sendegebiet z.B. des Bayerischen Rundfunks denke, den man in Frankfurt, kaum vierhundert Kilometer von München entfernt, schon gar nicht mehr empfangen kann.

Radio CKCU-FM 93,1 / Literary News 

 

Das literarische Echo den 1. Teil einer dreiteiligen Sendereihe, die der Schriftsteller und Sprecher RÜDIGER OFFERGELD unter dem Titel "Verdi vontra Wagner" ursprünglich für den Bayrischen Rundfunk konzipiert und produziert hatte. Darin geht es um Franz Werfels Künstlerroman 'Verdi. Roman der Oper' (1924), in dem sich die beiden Komponisten in Venedig begegnen. Auch bedeutende Kenner der literatur- und musikgeschichtlichen Zusammenhänge kommen in der Sendung zu Gehör, darunter eine archivierte Aussage von Dietrich Fischer-Dieskau über Werfels Roman. Und natürlich ist dabei Opernmusik zu hören.

Die am 25. Juni 2013 ausgestrahlte Sendung ist nun — wie üblich im Anschluss an die Tagesnachrichten von BBC World News Services — durch Anklicken des Links>